Nur ein Testimonial für den Oberbürgermeister?

Dennis Schröder mit Oberbürgermeister Torsten Kornblum auf dem Balkon des Altstadtrathauses. Foto: Stadt Braunschweig/Daniela Nielsen
Dennis Schröder mit Oberbürgermeister Torsten Kornblum auf dem Balkon des Altstadtrathauses. Foto: Stadt Braunschweig/Daniela Nielsen

Verleihung kurz vor der Kommunalwahl 2026: Dennis Schröder wäre Braunschweigs erster Ehrenbürger aus dem Sport

Dennis Schröder ist ein heraus­ra­gender Basket­ball­spieler. Er führte die deutsche Natio­nal­mann­schaft als Kapitän 2023 zum Weltmeis­ter­titel und in diesem Jahr zum Europa­meis­ter­titel. Zurecht wurden die sport­li­chen Leistungen Schröders (Sacra­mento Kings) jeweils mit einem Empfang im Altstadt­rat­haus gewürdigt. Vor zwei Jahren trug sich der sympa­thi­sche und längst geerdete gebürtige Braun­schweiger ins Goldene Buch der Stadt ein. In diesem Jahr wurde die Sport­halle seiner ehema­ligen Schule, die IGS Franz­sches Feld, in Dennis-Schröder-Halle umbenannt. Im vergan­genen Jahr erhielt er zudem die Sport­me­daille der Stadt, die höchste Auszeich­nung der Stadt im Sport. Das ist eine Fülle großar­tiger Ehrungen für einen jungen Sportler, dessen Karriere noch lange nicht beendet ist.

In einer Reihe mit Gauß und Büssing

Doch jetzt soll das nicht genug sein: Oberbür­ger­meister Thorsten Kornblum (SPD) will den Basket­baller auch noch zum Ehren­bürger machen. Schröder wäre der erste Sportler und der mit Abstand Jüngste, dem diese Ehre zuteil­würde. Dennis Schröder stünde in einer Reihe mit dem Mathe­ma­tiker Carl Friedrich Gauß, dem Schrift­steller Wilhelm Raabe, dem Unter­nehmer Heinrich Büssing, dem großen Sozial­de­mo­kraten Otto Bennemann oder dem Holocaust-Überle­benden Sally Perel. Sie alle wurden für ihre großar­tigen Lebens­leis­tungen ausge­zeichnet. In dem Zusam­men­hang stellt sich die Frage, ob die Ehren­bür­ger­würde für einen 32 Jahre alten Sportler trotz seiner bemer­kens­werten Identi­fi­ka­tion mit seiner Heimat­stadt wirklich jetzt schon angemessen ist.

Bereits beim Empfang Schröders auf dem Balkon des Altstadt­markts monierten Leser der Braun­schweiger Zeitung, dass sich Oberbür­ger­meister Kornblum unange­messen selbst in den Mittel­punkt gestellt habe. „Er hätte dort auf keinen Fall die ganze Zeit direkt in der Mitte stehen müssen. Da gehörte Dennis Schröder hin“, schrieb eine Leserin. „Hunderte Fans hielten Kameras und Handys nach oben, um nun vielleicht ein Foto machen zu können, auf dem Dennis Schröder in der Bildmitte den mitge­brachten EM-Pokal in die Höhe halten würde. Ein solches Bild hätte auch gut auf die Titel­seite der Zeitung gepasst! Leider hatte er keine Gelegen­heit dazu, denn Herrn Kornblum war offenbar in dieser Situation nicht bewusst, wer hier der wahre Star ist …,“ merkte ein anderer Leser an.

Sonnen im Glanze anderer

Offenbar sonnt sich der noch amtie­rende Oberbür­ger­meister gerne im Glanze anderer und hofft, dass etwas davon auf ihn abstrahlt. Vielleicht also ist die Verlei­hung der Ehren­bür­ger­würde an Dennis Schröder gar politi­sches Kalkül und der Europa- und Weltmeister soll als Testi­mo­nial für den im Wahlkampf befind­li­chen Sozial­de­mo­kraten dienen. Weil Dennis Schröder bei den Sacra­mento Kings in der nordame­ri­ka­ni­schen Liga National Basket­ball Associa­tion (NBA) unter Vertrag steht und die dicht getaktete Saison bis April plus Play-Offs dauert, wäre eine Verlei­hung der Ehren­bür­ger­würde also frühes­tens im Sommer nächsten Jahres möglich. Das wäre dann, unmit­telbar vor der Kommu­nal­wahl im September 2026, bei der sich Kornblum zur Wieder­wahl stellt.

Nach der Verkün­dung seines Ansinnens, Dennis Schröder mit der Ehren­bür­ger­würde zu ehren, führte Kornblum als Beispiel Philipp Lahm an, der mit 35 Jahren im Jahr 2019 Ehren­bürger Münchens wurde. Seine aktive Laufbahn hatte er da aller­dings schon zwei Jahre zuvor beendet. Als Kapitän hatte er den FC Bayern 2013 zum Champions-League-Titel geführt, absol­vierte insgesamt 517 Pflicht­spiele für den Rekord­meister, gewann acht deutsche Meister­schaften, sechs DFB-Pokale, dreimal den deutschen Supercup und einmal die FIFA-Klub-WM. Mit der Natio­nal­mann­schaft wurde er 2014 Weltmeister. Es waren also in erster Linie heraus­ra­gende Leistungen für einen Münchner Klub.

Fehlanzeige für Schumacher und Nowitzki

Lahm war Münchens erster und bislang einziger Ehren­bürger aus dem Sport. Andere Städte sind strin­genter bei der Verlei­hung ihrer höchsten Auszeich­nung: Der sieben­fache Formel-1-Weltmeister Michael Schuma­cher ist kein Ehren­bürger von Kerpen, der ehemalige NBA-Champion Dirk Nowitzki nicht von Würzburg, die ehemalige Schwimm-Weltre­kord­lerin und Weltmeis­terin Franziska van Almsick nicht von Berlin. Selbst die Fußball-Licht­ge­stalt Franz Becken­bauer wurde die Ehre in München nicht gewährt. Und die achtma­lige Dressur-Olympia­sie­gerin sowie neunfache Weltmeis­terin Isabel Werth wurde wie Lahm erst nach ihrer aktiven Laufbahn im Alter von 55 Jahren zur Ehren­bür­gerin der Stadt Rheinberg.

Das Ehren­bür­ger­würde kann nach Paragraph 29 des Nieder­säch­si­schen Kommun­la­ver­fas­sungs­ge­setzes an Personen verliehen werden, die sich für die Gemeinde besonders verdient gemacht haben. In Braun­schweig wurde die erste Ehren­bür­ger­würde schon 1838 vergeben, seither sind es gerade einmal 40 sehr sorgsam ausge­wählte Persön­lich­keiten gewesen, denen diese Ehre zuteil­wurde.

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