Impulsgeber des Wirtschaftswachstums

Kristina Nikolaus, Mitgründerin und Geschäftsführerin des Braunschweiger Startups OKAPI:Orbits, ist Deutschlands Gründerin des Jahres 2024.
Kristina Nikolaus, Mitgründerin und Geschäftsführerin des Braunschweiger Startups OKAPI:Orbits, ist Deutschlands Gründerin des Jahres 2024. ©Braunschweig Stadtmarketing GmbH / Ausdruckslos

In Braunschweig ist eine dynamische Start-up-Szene entstanden

● Schlüsselrolle der Universitäten
● Fördermittel für die TU

Gastbei­trag von Professor Dr. Reza Asghari

Seit den 2000er-Jahren vollzieht sich die Mutation der Indus­trie­ge­sell­schaft in die Wissens­ge­sell­schaft, die von einem Prozess der Wissens­in­ten­si­vie­rung der Wertschöp­fungs­pro­zesse begleitet wird. Nicht zuletzt durch die Digita­li­sie­rung konnte die Innova­tion zum entschei­denden Bestim­mungs­faktor des weltweiten Wettbe­werbs avancieren.

Je erfolg­rei­cher die Forschungs­er­geb­nisse aus den Hochschulen und wissen­schaft­li­chen Einrich­tungen Zugang in die Wirtschaft finden, umso innova­tiver und wettbe­werbs­fä­higer ist die Wirtschaft. In diesem Kontext kommen den Techno­logie-Start-ups als Brücke zwischen Wissen­schaft und Wirtschaft eine zentrale Bedeutung zu. Sie sind Träger der Innova­tion und oft die ersten, die neue Techno­lo­gien und Geschäfts­mo­delle in den Markt einführen. Univer­si­täten übernehmen dabei eine Schlüs­sel­rolle, indem sie nicht nur als Brutstätten für Innova­tionen dienen, sondern auch die notwen­digen Fähig­keiten vermit­teln, um die Gründung und Skalie­rung von hochin­no­va­tiven Jungun­ter­nehmen zu ermög­li­chen.

Die vier wertvollsten Unter­nehmen der Welt (Microsoft, Apple, Google und Amazon) sind jünger als 30 Jahre und haben die mächtigen, tradi­ti­ons­rei­chen Indus­trie­un­ter­nehmen der Welt längst überholt. Der Marktwert von Amazon allein übersteigt den Gesamt­wert der acht wertvollsten deutschen Unter­nehmen (SAP, Siemens, Deutsche Telekom, Allianz, Porsche, Merk, Mercedes-Benz, BMW).

Beim fahrer­losen Fahren verfügt Waymo, ein Start-up der Holding Alphabet (früher Google), über die umfas­sendste Fahrer­fah­rung weltweit.

Start-ups als Treiber des Wirtschaftswachstums

Die dringend erfor­der­liche Energie­wende und die damit verbun­dene ökolo­gi­sche Trans­for­ma­tion werden ohne hochin­no­va­tive Green-Start-ups kaum zu bewäl­tigen sein. Univer­si­täten sind zentrale Akteure in der Wissens­öko­nomie. Sie fungieren als Inkuba­toren für Ideen und Start-ups. Durch spezia­li­sierte Kurse, Entre­pre­neur­ship-Centren, Mentoring- und Accele­rator-Programme unter­stützen sie aktiv die Gründung von Start-ups. Ameri­ka­ni­sche Univer­si­täten sind uns in diesem Bereich meilen­weit voraus. Seit den1960er Jahren sind aus der Univer­sität Stanford über 40.000 Start-ups hervor­ge­gangen, die auch heute noch am Markt operieren.

Dank dem EXIST-Programm in Deutsch­land, das Studie­renden, Absol­venten und Wissen­schaft­lern hilft, ihre Geschäfts­ideen zu entwi­ckeln und zu kommer­zia­li­sieren, konnte das Thema Start-up-Gründung in den wissen­schaft­li­chen Einrich­tungen einen zunehmend wichti­geren Raum einnehmen. Die TU Braun­schweig konnte im Rahmen des EXIST-Programms erheb­liche Förder­mittel erfolg­reich zur Stärkung des Start-up-Ökosys­tems in der Region Brauschweiger Land einwerben.

Erfolgsmodelle aus Braunschweig

In Braun­schweig tragen mehrere Insti­tu­tionen erheblich zur Dynamik der Start-up-Szene bei. Neben dem Entre­pre­neur­ship Hub und Trans­fer­ser­vice der TU Braun­schweig sind Braun­schweig Zukunft GmbH und TRAFO Hub maßgeb­liche Stake­holder des Start-up-Ökosys­tems. Braun­schweig Zukunft unter­stützt mit den Programmen Moin und WIN syste­ma­tisch die wissens­in­ten­siven Ausgrün­dungen aus der TU Braun­schweig und aus den Forschungs­ein­rich­tungen. Auch borek.digital hat in den vergan­genen Jahren deutlich zur Stärkung der Gründungs­kultur in Braun­schweig beigetragen. Durch das Zusam­men­spiel der genannten Stake­holder hat sich Braun­schweig zu einem attrak­tiven Standort für Techno­logie-Start-ups entwi­ckelt. Trotz erzielter Erfolge in den vergan­genen Jahren müssen die Rahmen­be­din­gungen für die Entste­hung und Entwick­lung von Techno­logie-Start-ups noch optimiert werden.

Der Rechts­rahmen der meisten Hochschul­ge­setze in Deutsch­land weist gewisse Defizite hinsicht­lich der Start-up-Förderung an deutschen Hochschulen aus. So zum Beispiel muss noch die Nutzung der Forschungs­in­fra­struktur, durch die bereits aus der Hochschule heraus gegrün­deten Kapital­ge­sell­schaften geregelt werden.

Trotz der dynami­schen Start-up-Landschaft stehen Gründer vor einer Reihe von Heraus­for­de­rungen. Eines der Haupt­pro­bleme ist die Finan­zie­rung. Obwohl es eine wachsende Zahl von Risiko­ka­pi­tal­ge­bern gibt, bleibt der Zugang zu Kapital schwierig, besonders in den frühen Phasen der Unter­neh­mens­grün­dung. Darüber hinaus gibt es kultu­relle Barrieren, die das Unter­neh­mertum in Deutsch­land beein­flussen. Die Angst vor dem Scheitern ist in der deutschen Gesell­schaft tief verwur­zelt, was poten­zi­elle Gründer davon abhalten kann, Risiken einzu­gehen.

Zukunftsperspektiven für den Innovationsstandort

Innova­ti­ons­pro­zesse sind offene Prozesse, deren Endergeb­nisse nicht immer absolut voraus­sehbar sind. Hierbei ist es erfor­der­lich, dass die Gesell­schaft mehr Mut und Zuver­sicht erwirbt, um sich auf unbekanntes Terrain hinaus­zu­wagen. Dabei ist das Scheitern die andere Seite der Erfolgs­me­daille. Die lähmende Angst vor dem Scheiten verur­sacht unermess­liche Oppor­tu­ni­täts­kosten. In den Zeiten der Digita­li­sie­rung und der Künst­li­chen Intel­li­genz kommt es auf Geschwin­dig­keit, Refle­xi­ons­ver­mögen, Experi­men­tier­freu­dig­keit und Lernfä­hig­keit an. Ohne diese Fähig­keiten werden wir uns mittel- und langfristig in einer sich rasant verän­dernden Weltwirt­schaft kaum noch, wie in der Vergan­gen­heit gewohnt, behaupten können.

Prof. Dr. Reza Asghari

Professor Dr. Reza Asghari ist Inhaber der Professur für Innova­tion und Entre­pre­neur­ship an der TU Braun­schweig und der Ostfalia Hochschule. Unter seiner Feder­füh­rung gewannen TU Braun­schweig und Ostfalia Hochschule im Verbund den Exzel­lenz­wett­be­werb der Bundes­re­gie­rung 2011 „EXIST IV-Gründer­hoch­schule“. 2020 erhielten beide Hochschulen unter seiner Leitung die EXIST V‑Förderung des Bundes im Strang „Inter­na­tional überzeugen“.

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