40 Prozent fühlen sich unsicher bis sehr unsicher im öffentlichen Raum
● Kommunen in der Pflicht
● Braunschweig keine Ausnahme
Gastbeitrag von Rainer Wendt
Eine Untersuchung des Instituts Infratest Dimap brachte zum Jahresbeginn zutage, was viele Menschen fühlen, wenn sie an öffentliche Parkanlagen, den Nachhauseweg in den Abendstunden oder den öffentlichen Nahverkehr denken. 40 Prozent von ihnen fühlen sich unsicher bis sehr unsicher im öffentlichen Raum. Vor zehn Jahren waren dies noch 23 Prozent gewesen.
Eine weitere Untersuchung des Deutschen Beamtenbundes im vergangenen Jahr, durchgeführt vom Institut Forsa, ergab die erschreckende Feststellung, dass mehr als 70 Prozent der Menschen in Deutschland den Staat für überfordert halten und ihm kaum noch zutrauen, seine wichtigsten Aufgaben ordnungsgemäß zu erledigen. Die Zahlen sind dramatisch, denn die Kriminalitätsfurcht verändert die Menschen. Vor allem Frauen, Mädchen und ältere Personen meiden Gegenden, die ihnen gefährlich erscheinen. Persönliche Freiheit leidet, wo Angst herrscht.
Steigende Unsicherheit in Braunschweigs Straßen
Braunschweig ist von den Entwicklungen im Bundesgebiet nicht ausgenommen. Die Gewalt auf den Straßen steigt, Körperverletzungen, Raub und andere Rohheitsdelikte nehmen scheinbar unaufhörlich zu. Häusliche Gewalt und Sexualdelikte haben zweistellige Zuwachsraten, gezückte Messer bei jungen Männern versetzen die Bevölkerung in Angst und Schrecken.
Nicht alles ist nur mit mehr Polizei zu lösen. Deren Arbeit wird vielfältiger. In Zeiten umfangreicher Bedrohungsszenarien müssen ihre Einsatzkräfte an vielen Orten zugegen sein, Stärke und Präsenz zeigen und rasch und konsequent einschreiten, wenn nötig. Aber es gibt weitere Verantwortungsträger, nämlich die Kommunen selbst. Ihre Zuständigkeit für Ordnungsaufgaben ist nicht trivial, im Gegenteil. Wo die Zustände nicht in Ordnung sind, wo Verwahrlosung, Verschmutzung oder beschädigte Infrastruktur sichtbar werden, wachsen Unsicherheit, Gefährlichkeit und auch rechtswidriges Verhalten von Störern.
Rolle der Kommunen und Ordnungskräfte
Sicherheit und Ordnung gehören untrennbar zusammen. Deshalb ist es richtig, wenn Messerverbotszonen eingerichtet werden, um die Kontrolltätigkeit auf sichere rechtliche Grundlagen zu stellen und auch ohne konkreten Tatverdacht überprüfen zu können, ob sie eingehalten werden. Der Ausbau des Zentralen Ordnungsdienstes (ZOD) und die städtebauliche Kriminalprävention durch gut ausgeleuchtete, saubere und durch Ordnungskräfte kontrollierte Wege und Plätze erhöhen nicht nur das Sicherheitsgefühl, sondern auch die objektiv messbare Abwesenheit von Straftaten. Modernste Videotechnik, wie sie seit Jahren erprobt wird, kann dabei helfen, gefährliche Situationen bereits im Entstehungsprozess zu erkennen und Einsatzkräfte rechtzeitig an den Ort des Geschehens heranzuführen, um einzuschreiten.
Und wenn Straftaten nicht zu verhindern waren, müssen Beweise gesichert sein, um den Gerichten die Möglichkeit zur Ahndung zu geben. Damit die Strafe auf dem Fuße folgen kann, braucht die Justiz insgesamt eine gute und moderne Ausstattung.
Strategien zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit
Innere Sicherheit kann gelingen, wenn ausreichendes Personal bei allen Akteuren, moderne Technik und gute rechtliche Befugnisse die Behörden in die Lage versetzen, Gefahren frühzeitig zu erkennen und abzuwehren sowie Straftaten konsequent verfolgen und ahnden können. Der Staat kann es sich nicht aussuchen, ob er sein Schutzversprechen gegenüber der Bevölkerung einlöst, er ist durch unser Grundgesetz dazu verpflichtet.
Die neue Bundesregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung wichtige neue Impulse verabredet, aber die Länder und Kommunen müssen mitmachen, sie alle tragen Verantwortung. Die Freiheit der Menschen, sich im öffentlichen Raum bewegen zu können, ohne ständiger Furcht und Gefahren ausgesetzt zu sein, ist ein hohes Gut. Wenn der Staat an Vertrauen verliert, leidet auch unsere demokratische, freie Art des Zusammenlebens. Der beste Demokratieschutz ist ein starker Staat, der die Menschen schützt und ihre Freiheit bewahrt.
Waffenverbot rund ums Rotlichtviertel
Stadt und Polizei haben Kriminalitätsschwerpunkte ausgewiesen. Teile der Innenstadt sind deswegen zu einer Waffenverbotszone geworden. Das Waffenverbot gilt täglich zwischen 20 und 6 Uhr und an Wochenenden durchgehend im Bereich der Friedrich-Wilhelm-Straße, der Wallstraße, des Friedrich-Wilhelm-Platzes, der Bruchstraße, der Straße Am Wassertor und der Leopoldstraße. Bei dem Gebiet handelt es sich um die Umgebung des Braunschweiger Rotlichtviertels mit Übergang zur Braunschweiger Partymeile. Zu den verbotenen Gegenständen gehören Schusswaffen, Schlagstöcke und Messer jeglicher Art. Verstöße können mit bis zu 10.000 Euro Geldbuße bestraft werden. Das Polizeikommissariat Mitte hat per Videoüberwachung rund um die Uhr einen Blick auf Friedrich-Wilhelm-Platz, Wallstraße, Friedrich-Wilhelm-Straße, Waisenhausdamm und Bohlweg, Gieseler, Kalenwall, Platz am Ritterbrunnen und Herzogin-Anna-Amalia-Platz. Der Zentrale Ordnungsdienst (ZOD) der Stadt Braunschweig hat im Gegensatz zu anderen Städten wie unter anderem in Hannover nicht die Ausstattung und Ausbildung für eigene Kontrollen.

Rainer Wendt (68) ist seit 2007 Bundesvorsitzender
der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Er ist Mitglied des Bundesvorstandes des Deutschen Beamtenbunds (dbb) und leitet dort die Fachkommission Innere Sicherheit. Zudem ist er seit 2023 Präsident der Europäischen Polizei Union (EPU) mit Sitz in Wien. Der fünffache Familienvater Rainer Wendt lebt in Berlin und war von 1973 bis 2016 aktiver Polizeibeamter des Landes Nordrhein-Westfalen.