Ein Ausweg: Stopp der Luxusprojekte

Haushaltskonsolidierung zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Stadt muss Priorität haben

● Kritik der Kommunalaufsicht 
● Sehr angespannte Lage

Die rot-grüne Ratsmehr­heit mit Oberbür­ger­meister Thorsten Kornblum (SPD) an der Verwal­tungs­spitze hat die Stadt Braun­schweig in ihre bislang größte Finanz­krise gestürzt. Das ist schon schlimm genug, aber noch schlimmer ist, dass es einfach kein Einsehen gibt. Es werden ungeachtet des damit verbun­denen exorbi­tanten weiteren Schul­den­auf­baus weiter Presti­ge­pro­jekte wie Kauf und Umbau der Schrott­im­mo­bilie des früheren Karstadt-Einrich­tungs­hauses zum sogenannten „Haus der Musik“ oder der Bau der ideolo­gie­ge­trie­benen Velorouten und noch mehr ungeachtet des damit verbun­denen exorbi­tanten weiteren Schul­den­auf­baus weiter voran­ge­trieben und als große Errun­gen­schaften gefeiert. Wenn es so weiter­geht, ist schon jetzt absehbar, dass bald die Kommu­nal­auf­sicht des Landes über den Haushalt der Stadt entscheidet und nicht mehr der Rat der Stadt.

Plötzlich Verschlusssache

„Das Minis­te­rium spricht laut dem Brief an die Stadt, der unserer Zeitung vorliegt, von einer ‚sehr angespannten‘ Haushalts­lage“, schreibt die Braun­schweiger Zeitung. Die Beurtei­lung der Kommu­nal­auf­sicht ist im Gegensatz zu früheren Jahren kein öffent­li­ches Dokument der Stadt mehr sondern geheime Verschluss­sache. Daraus lässt sich schließen, dass die Stadt­ver­wal­tung es diesmal – wohl angesichts der weiter zuneh­menden Brisanz – mit ihrer eigenen Presse­mit­tei­lung bewenden lassen wollte.

Dabei sind die Erkennt­nisse gar nicht neu. Denn in der Kornblum-Ära zieht sich die Aussage der Kommu­nal­auf­sicht – „Die dauernde Leistungs­fä­hig­keit ist aufgrund der negativen Haushalts­ent­wick­lung gefährdet“ – wie ein roter Faden. Im Klartext heißt das, die Zukunft ist für die Stadt und ihre Einwohner alles andere als rosig. Im Jahr 2029 werden sich Verbind­lich­keiten der Stadt bis auf zwei Milli­arden Euro aus langfris­tigen Krediten, Überzie­hungs­kre­diten und kredit­ähn­li­chen Geschäften addiert haben.

Immer mehr Schulden

Diese Summe hatte Finanz­de­zer­nent Christian Geiger in seiner mittel­fris­tigen Finanz­pla­nung dem Rat der Stadt vorgelegt. Geiger sagte in der Sitzung, die Lage sei sehr ernst und, dass es so nicht weiter­gehen könne. Liqui­di­täts- und Inves­ti­ti­ons­kre­dite machen in der Addition bereits Ende 2027 eine Schul­den­last von 1.000.000.000 Euro aus. Die laufenden Verwal­tungs­aus­gaben übersteigen deutlich und dauerhaft die Einnahmen. Das bedeutet: immer mehr Schulden. Ungebremst.

In einer Presse­mit­tei­lung jubelte die Stadt Anfang Juni: „Doppel­haus­halt 2025/26 ist vom Land ohne Auflagen genehmigt.“ Doch das ist der unbedeu­ten­dere Teil der Wahrheit. Denn hinten im Klein­ge­druckten steht noch, „dass das Land angesichts der finan­zi­ellen Gesamt­lage eine noch stärkere Priori­tä­ten­set­zung bei der Inves­ti­ti­ons­pla­nung anmahne, damit Kredit­auf­nahmen möglichst niedrig gehalten werden können“.

Folgekosten nicht vergessen

Diese von der ebenfalls rot-grünen Landes­re­gie­rung eher schonend formu­lierten Kritik an den Gleich­ge­sinnten führt aber bislang nicht zu den notwen­digen Konse­quenzen. Wichtige erste Schritte in Richtung einer Konso­li­die­rung müsste der unmit­tel­bare Stopp beispiels­weise für das „Haus der Musik“ und die Velorouten sein. Damit ließen sich auf einen Schlag fast 200 Millionen Euro und erheb­liche Folge­kosten sparen. Die Miete für die Städti­sche Musik­schule im Konzert­pa­last würde jährlich 600.000 Euro betragen und der Verlust­aus­gleich für den Konzert­saal jährlich rund 1,5 Millionen Euro. Und das über 30 Jahre! Dazu kämen noch unkal­ku­lier­bare Kosten­stei­ge­rungen während der Bauphase. Die Sanierung der Stadt­halle ist da ein gutes, weil drama­ti­sches Beispiel: 2018 waren 58 Millionen Euro veran­schlagt, bei Fertig­stel­lung werden daraus mindes­tens 140 Millionen Euro geworden sein.

Entschei­dend für die Menschen in Braun­schweig sind nicht Kornblums Luxus­pro­jekte sondern vielmehr, dass Schulen und Kinder­ta­ges­stätten, Straßen, Radwege und Brücken in Ordnung kommen, dass Sicher­heit und Sauber­keit nicht vernach­läs­sigt werden und endlich das Städti­sche Klinikum wirtschaft­lich auf neue Füße gestellt wird. Es gibt neben der Haushalts­kon­so­li­die­rung wahrlich genügend und wichtige Aufgaben, die die Stadt­ver­wal­tung anpacken müsste.

Oberbürgermeister in der Pflicht

Der Verweis darauf, dass Bund und Land angesichts der wachsenden Anfor­de­rungen Kommunen stärker unter­stützen müssten, ist selbst­ver­ständ­lich richtig, entbindet die Stadt aber nicht durch eigene, energi­sche und zielfüh­rende Anstren­gungen das Ruder herum­zu­reißen. Wie heißt es doch immer so schön: Der Ball liegt in der Hälfte von Oberbür­ger­meister Kornblum.

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