Die Musikschule benötigt dringend neue Räume, aber die Stadt keinen neuen Konzertsaal.
● Horrende Haushaltsbelastung
● Bürgerbefragung sinnvoll
Vollmundig pries Oberbürgermeister Thorsten Kornblum bei der Vorstellung des Siegerentwurfs des Architekturwettbewerbs das sogenannte „Haus der Musik“. Es werde von dort „ein starker Impuls für die Kultur in unserer Stadt und für die Innenstadt“ ausgehen. Doch Kornblums Konzertpalast ist für Braunschweig in seiner massiven Finanzkrise, bei der Schulden von weit mehr als einer Milliarde Euro drohen, nicht seriös zu finanzieren. Denn das Projekt droht zu einem Fass ohne Boden zu werden. Noch ist jedoch Zeit zur Umkehr und Rückkehr zur Vernunft.
Trotz des angekündigten und fraglos anzuerkennenden Investments der Familie Knapp in eine noch zu gründende Stiftung für den Konzertpalast wäre die finanzielle Belastung für die Stadt unverantwortlich hoch. Die Stadt müsste zunächst das ehemalige Karstadt-Einrichtungshaus für 15 Millionen Euro dem Unternehmen der Familie Knapp, New Yorker, abkaufen. Dann müsste ein Betrag von rund 60 Millionen Euro in die gemeinsame Stiftung fließen, worin die Familie Knapp die Mehrheit und damit letztlich die Entscheidungsgewalt behalten würde. Für diese rund 75 Millionen Euro müsste die ohnehin schon bis an die Belastungsgrenze verschuldete Stadt weitere Kredite aufnehmen, langfristig tilgen und Zinsen zahlen.
Miete und Defizitausgleich
Allein das dürfte schon von keinem Braunschweiger Ratsmitglied guten Gewissens abgenickt werden können. Aber es kommt noch schlimmer. Die Stadt müsste für die von der dann im Konzertpalast angesiedelten Städtischen Musikschule Miete an die Stiftung zahlen. Und darüber hinaus müsste die Stadt einen mit Sicherheit anfallenden Defizitausgleich für den integrierten Konzertsaal berappen. Es ist gar nicht abzusehen, wie hoch die tatsächlichen, letztlich vom Steuerzahler zu tragenden Kosten wären. Auf lange Sicht dürften es in Summe mehr als 100 Millionen Euro werden.
Deswegen wäre eine Bürgerbefragung zu diesem Thema ein sinnvolles Instrument. Die erste Bürgerbefragung in der Geschichte der Stadt Braunschweig fand am 6. Februar 2011 zum Ausbau des Eintracht-Stadions statt. Das Votum für den Konzertpalast käme jedenfalls einem Vabanquespiel für den Haushalt der Stadt in Krisenzeiten gleich.
Zudem können die Baukosten erst jetzt auf Basis des Siegerentwurfs des Kopenhagener Büros ADEPT aus Kopenhagen berechnet werden. Das steht noch aus. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die erforderliche Summe im Vergleich zur bisherigen Schätzung (120 Millionen Euro) noch um viele weitere Millionen steigt. Ziel der Verwaltung ist es, Finanzplanung und Stiftungssatzung bis Ende 2025 den politischen Gremien zur Entscheidung vorzulegen. Man darf gespannt sein, ob sich das realisieren lässt.
Düster und dominant
Ungeachtet der finanziellen Aspekte wirkt der Siegerentwurf mit den hervortretenden Dach- und Fassadenflächen unverändert düster und würde durch Aufstockung zweier zusätzlicher Stockwerke noch dominanter gegenüber dem historischen Gewandhaus und der Traditionsinsel Altstadtmarkt wirken. Das finden nicht wenige Bürgerinnen und Bürger unpassend. Viele sehen in einem Abriss des aus der Zeit gefallenen 1970er-Jahre-Baus, einer nicht städtisch finanzierten und städtebaulich angemessenen Wohnbebauung an dieser Stelle die bessere Lösung. Sie würde ebenfalls zur Belebung der Innenstadt beitragen und Wohnungsnot lindern würde.
Strittig ist zudem, ob Braunschweig angesichts der laufenden und aufwändigen Sanierung der Stadthalle noch einen weiteren Konzertsaal benötigt oder das Ansinnen nur Wunschdenken interessierter Kreise ist. Unstrittig aber bleibt, dass die Städtische Musikschule endlich eine neue Heimat benötigt. Seit vielen Jahren wird die Musikschule von der Verwaltung stiefmütterlich behandelt. Die Verteilung auf drei, allesamt ungeeignete Standorte (Augusttorwall 5, Magnitorwall 16 und Grundschule Rühme), stellt für die Musikschule ein großes Problem dar. Keiner der zur Verfügung stehenden Unterrichtsräume ist für einen Musikschulbetrieb geeignet und ausgestattet. Da ist Handlungsbedarf überfällig.