Das „Haus der Musik“ droht ein Fass ohne Boden zu werden

Siegerentwurf für das sogenannte "Haus der Musik“. Hier Fassade zur Poststraße. ©ADEPT, Kopenhagen/Hamburg
Siegerentwurf für das sogenannte "Haus der Musik“. Hier Fassade zur Poststraße. ©ADEPT, Kopenhagen/Hamburg

Die Musikschule benötigt dringend neue Räume, aber die Stadt keinen neuen Konzertsaal.

● Horrende Haushaltsbelastung
● Bürgerbefragung sinnvoll

Vollmundig pries Oberbür­ger­meister Thorsten Kornblum bei der Vorstel­lung des Sieger­ent­wurfs des Archi­tek­tur­wett­be­werbs das sogenannte „Haus der Musik“. Es werde von dort „ein starker Impuls für die Kultur in unserer Stadt und für die Innen­stadt“ ausgehen. Doch Kornblums Konzert­pa­last ist für Braun­schweig in seiner massiven Finanz­krise, bei der Schulden von weit mehr als einer Milliarde Euro drohen, nicht seriös zu finan­zieren. Denn das Projekt droht zu einem Fass ohne Boden zu werden. Noch ist jedoch Zeit zur Umkehr und Rückkehr zur Vernunft.

Trotz des angekün­digten und fraglos anzuer­ken­nenden Invest­ments der Familie Knapp in eine noch zu gründende Stiftung für den Konzert­pa­last wäre die finan­zi­elle Belastung für die Stadt unver­ant­wort­lich hoch. Die Stadt müsste zunächst das ehemalige Karstadt-Einrich­tungs­haus für 15 Millionen Euro dem Unter­nehmen der Familie Knapp, New Yorker, abkaufen. Dann müsste ein Betrag von rund 60 Millionen Euro in die gemein­same Stiftung fließen, worin die Familie Knapp die Mehrheit und damit letztlich die Entschei­dungs­ge­walt behalten würde. Für diese rund 75 Millionen Euro müsste die ohnehin schon bis an die Belas­tungs­grenze verschul­dete Stadt weitere Kredite aufnehmen, langfristig tilgen und Zinsen zahlen.

Miete und Defizitausgleich

Allein das dürfte schon von keinem Braun­schweiger Ratsmit­glied guten Gewissens abgenickt werden können. Aber es kommt noch schlimmer. Die Stadt müsste für die von der dann im Konzert­pa­last angesie­delten Städti­schen Musik­schule Miete an die Stiftung zahlen. Und darüber hinaus müsste die Stadt einen mit Sicher­heit anfal­lenden Defizit­aus­gleich für den integrierten Konzert­saal berappen. Es ist gar nicht abzusehen, wie hoch die tatsäch­li­chen, letztlich vom Steuer­zahler zu tragenden Kosten wären. Auf lange Sicht dürften es in Summe mehr als 100 Millionen Euro werden.

Deswegen wäre eine Bürger­be­fra­gung zu diesem Thema ein sinnvolles Instru­ment. Die erste Bürger­be­fra­gung in der Geschichte der Stadt Braun­schweig fand am 6. Februar 2011 zum Ausbau des Eintracht-Stadions statt. Das Votum für den Konzert­pa­last käme jeden­falls einem Vaban­que­spiel für den Haushalt der Stadt in Krisen­zeiten gleich.

Zudem können die Baukosten erst jetzt auf Basis des Sieger­ent­wurfs des Kopen­ha­gener Büros ADEPT aus Kopen­hagen berechnet werden. Das steht noch aus. Es ist nicht ausge­schlossen, dass die erfor­der­liche Summe im Vergleich zur bishe­rigen Schätzung (120 Millionen Euro) noch um viele weitere Millionen steigt. Ziel der Verwal­tung ist es, Finanz­pla­nung und Stiftungs­sat­zung bis Ende 2025 den politi­schen Gremien zur Entschei­dung vorzu­legen. Man darf gespannt sein, ob sich das reali­sieren lässt.

Düster und dominant

Ungeachtet der finan­zi­ellen Aspekte wirkt der Sieger­ent­wurf mit den hervor­tre­tenden Dach- und Fassa­den­flä­chen unver­än­dert düster und würde durch Aufsto­ckung zweier zusätz­li­cher Stock­werke noch dominanter gegenüber dem histo­ri­schen Gewand­haus und der Tradi­ti­ons­insel Altstadt­markt wirken. Das finden nicht wenige Bürge­rinnen und Bürger unpassend. Viele sehen in einem Abriss des aus der Zeit gefal­lenen 1970er-Jahre-Baus, einer nicht städtisch finan­zierten und städte­bau­lich angemes­senen Wohnbe­bauung an dieser Stelle die bessere Lösung. Sie würde ebenfalls zur Belebung der Innen­stadt beitragen und Wohnungsnot lindern würde.

Strittig ist zudem, ob Braun­schweig angesichts der laufenden und aufwän­digen Sanierung der Stadt­halle noch einen weiteren Konzert­saal benötigt oder das Ansinnen nur Wunsch­denken inter­es­sierter Kreise ist. Unstrittig aber bleibt, dass die Städti­sche Musik­schule endlich eine neue Heimat benötigt. Seit vielen Jahren wird die Musik­schule von der Verwal­tung stief­müt­ter­lich behandelt. Die Vertei­lung auf drei, allesamt ungeeig­nete Standorte (August­tor­wall 5, Magni­tor­wall 16 und Grund­schule Rühme), stellt für die Musik­schule ein großes Problem dar. Keiner der zur Verfügung stehenden Unter­richts­räume ist für einen Musik­schul­be­trieb geeignet und ausge­stattet. Da ist Handlungs­be­darf überfällig.

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