Interview mit Sven Hansmeier, Vorsitzender des Technikervereins
● Rekord beim Herrenabend
● Regionale Identität stärken
Herr Hansmeier, wie erklären Sie sich, dass Ihr Herrenabend in Zeiten, in denen Traditionen und Brauchtumspflege angeblich nichts mehr zählen, einen Rekordbesuch zu verzeichnen hatte?
Allenortens sehen wir, dass sich viele Menschen angesichts umfassender gesellschaftlicher Transformation dem Brauchtum zuwenden. Dass der Herrenabend in diesem Jahr mehr als 1.000 Teilnehmer begeistert hat, belegt, dass sich Tradition und Modernität gut miteinander vertragen. Traditionen und Brauchtum gehen oft mit der Zeit, bewahren sich aber ihren Kern. Wenn gewachsene soziale Bindungen aufbrechen und Beziehungen flüchtig und flexibel werden, werden Traditionen und Brauchtum immer an Bedeutung gewinnen, um Identitäten zu wahren und sozialen Zusammenhalt zu sichern.
Rekordbesuch: Warum der Herrenabend so erfolgreich ist
Kritiker meinen aber, dass Veranstaltungen wie das Eisbeinessen rückwärtsgewandt und überflüssig seien. Was entgegnen Sie?
In der aktuellen Zeitenwende durch Digitalisierung und globale Herausforderungen bleibt die Bedeutung von Tradition zentral. Unser Herrenabend ermöglicht den Erhalt kultureller Bräuche und unseres regionalen Identitätsbewusstseins. Wir überhöhen nichts, wir belehren nicht. Wir teilen nur unsere Tradition mit denen, die das auch mögen. Wir kommen in dieser Form einmal im Jahr für fünf Stunden zusammen. Wenn wir damit einen Beitrag leisten können, das Gefühl von Gemeinsamkeit und Zusammenhalt zu bieten, dann tun wir dies mit Freude. Der Technikerverein Braunschweig stand immer und steht unverrückbar in der Mitte der Gesellschaft. Wir lassen uns vom vorbeiziehenden Zeitgeist nicht beirren.
… und was ist mit dem Vorwurf, der Herrenabend sei frauenfeindlich?
Der Herrenabend ist als Herrenabend per se nicht frauenfeindlich. Es passiert nichts, was Frauen zum Nachteil gereicht. Der Abend und das Programm sind nicht darauf ausgelegt, dass die Teilnehmer irgendwie geartete exklusive Vorteile daraus zierhen würden. Neben so vielen Herren steht eben auch eine vielfache Zahl an Frauen, die dem Besuch ihrer Partner, Söhne, Brüder, Arbeitskollegen vor dem Herrenabend nicht entgegentreten, weil sie selbstbewusst im Leben stehen, selbst Netzwerke pflegen und sich nicht über den Besuch eines Eisbeinessens identifizieren müssen.
Auch SPD-Oberbürgermeister Thorsten Kornblum sieht den Herrenabend kritisch. Ist er trotzdem mal wieder willkommen?
Mit Gerhard Glogowski, Dr. Gert Hoffmann und Ulrich Markurth waren in diesem Jahr drei ehemalige Oberbürgermeister mit sichtlich großer Freude beim Herrenabend dabei. Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum und ich begegnen uns über den Jahresverlauf immer mal wieder und sind im freundlichen Gespräch verbunden. Zwischen uns persönlich steht nichts. Natürlich tauschen wir uns auch zu vielfältigen Aspekten des Herrenabends gelegentlich aus. Der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig erhält aber immer eine Einladung zu unserem Herrenabend und ist auch immer herzlich willkommen.

Der Technikerverein Braunschweig von 1887 e.V. ist ein Stück Braunschweiger Geschichte. Geboren in der Findungszeit des geeinten Kaiserreichs im Jahre 1887, durchlebten die Kollegen mehrere Perioden: das Ende der konstitutionellen Monarchie 1918, die pluralistische, semipräsidentielle Demokratie der Weimarer Republik bis 1933 und die Diktatur des NS-Staates in der Zeit des Nationalsozialismus bis zur Befreiung 1945, die schmerzliche Teilung und die friedvolle Einigung Deutschlands. Damit verbunden ist auch die wechselhafte Geschichte von Stadt und Land Braunschweig als kleines, stolzes Herzogtum, industrielle Innovationsregion, fast vergessener Frontposten im Kalten Krieg und heutige selbstbewusste Wirtschafts- und Kulturregion im Herzen eines friedlichen Europas.